Diese Geschichte hat mich persönlich sehr berührt.
Rastlosigkeit. Gedanken durchströmen meine Wahrnehmung, stoßen
aneinander, brechen in Fragmente, setzen sich wirr zusammen, ergeben
keinen Sinn. Unruhe hetzt meine Glieder, sie bewegen sich haltlos durch
den Raum. Ich habe ein Gefühl von Formlosigkeit, das sich breit macht
und mich ganz erfasst, mich beherrscht. Ich will hier raus. Ich muss
hier raus.
Ich setze mich ins Auto und fahre los. Durch das Grau der Stadt,
vorbei an bekannten Plätzen, raus aus der Menge, aus dem Lärm, aus der
Masse von nichts sagenden Gesichtern, raus aus der Schnelligkeit und der
Leere. Die Autobahn erwartet mich mit genauso viel Nichtsagendem.
Grau. Schnell. Voll.
Vor meinen Augen, die nichts mehr halten können, verschwimmen die
Grauen Flecken zu einer einzigen, bleiernen Masse, die mich in sich
hinein saugt, mit Heisshunger verschlingt. Ich fühle mich wie zwischen
den Welten, verloren, haltlos, gefangen.
Meine Augen können keine Form mehr erkennen, meine Gedanken keinen
vernünftigen Satz mehr zu Ende denken. Ich muss irgendwo heranfahren,
mich ausruhen. Vielleicht schlafen. Dann sehe ich weiter.
Eine Ausfahrt. Ich kann das Schild nicht lesen. Wo bin ich? Es ist ja
auch egal. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren, draußen macht sich
Dunkelheit breit. Die Müdigkeit drängt sich mir auf, zwingt mich zu
halten. Direkt am Straßenrand. Einfach so. Darüber nachzudenken, ob das
jetzt richtig ist oder nicht, dafür habe ich keine Kraft mehr. Ich lasse
es geschehen.
Draußen riecht es nach modrigem Wald. Sanfter Wind ruft von den
Wipfeln der Bäume. Ich gehe zu Fuß weiter. Tiefer, immer tiefer in den
Wald hinein. Mein Blick bleibt an den Blättern der Sträucher hängen.
Verfängt sich in tausend Grün. Die Farben, die Düfte tanzen um mich,
verführerisch verheissen sie Ruhe und Weite. Ich lasse mich hinein
fallen, tauche immer tiefer in dieses zauberhafte Wesen. Ich werde Blume
und fühle mich schlank und leicht, ich wiege mich im Rhythmus des
Windes, strecke mich dem Licht entgegen, lausche unbekanntem Singsang.
Tänzelnde Schritte, so sanft und kaum merkbar. Der Himmel spiegelt sich
in den Farben meiner Blüten, ich liebe die Zartheit meiner Form. Ich
fühle mich so unsagbar schön.
Dann löse ich mich, werde wieder formlos, sinke auf den Boden. Die
Erde umarmt mich, wiegt mich tröstend, nimmt mich in sich auf. Ich werde
Wurzelwerk, werde Stamm, werde Baumkrone. Ich erhebe mich über alles,
wachse immer weiter nach oben, sehe die Vögel zwischen meinen Ästen
fliegen, fühle Blätter aus meinen Fingern wachsen. Mein Stamm ist fest
und kraftvoll, setzt sich allen Stürmen ungerührt aus. Die Blätter
zittern, die Äste krachen und brechen, aber ich bleibe fest verankert.
Ich spüre die tiefen Wurzeln im Boden, die Erde umarmt mich und gibt mir
Halt, sie nährt mich mit Hingabe und Liebe. Sie weiss immer, was ich
brauche und wieviel davon mir gut tut. Ich fühle mich unendlich
kraftvoll.
Und wieder löse ich mich auf, gehe in die Formlosigkeit und tauche
noch tiefer. Meine Wellen glitzern im Licht der Sonne, Fische schwimmen
durch mein Haar, Wasserpflanzen wachsen aus meinen Händen und Füßen. Ein
seltsames, kühles und nasses Gefühl durchströmt mich. Ich werde Wasser.
Fließe mal langsam, mal schneller, sehe den Himmel in mir, spreche zu
den Steinen in meinem Flussbett. Sie erzählen mir Geschichten von längst
vergangenen Zeiten, von Menschen, denen sie begegnet sind, von Kriegen
und vom Frieden und Freude. Schon immer haben Menschen und Tiere aus mir
getrunken, jetzt erinnere ich mich selbst, sie haben an meinen Ufern
Rast gemacht, haben oft ihre blutenden Wunden in mir gewaschen. Ihre
Tränen habe ich in mir aufgenommen. Ich fühle mich grenzenlos frei.
Mir ist ein wenig kalt. Ich bewege meine Hand. Erstaunt schaue ich
auf meine Finger. Ich muss eingeschlafen sein. Ich liege auf dem Boden,
mitten im Wald. Es riecht immer noch modrig und sanftes Sonnenlicht
scheint auf mein Gesicht. Wie lange liege ich hier? Habe ich geschlafen?
Ein unsagbares Glücksgefühl durchströmt mein Herz. Der Wald hat ein
anderes Gesicht bekommen. Ich sehe überall bekannte Gestalten. Die Bäume
grüßen, die Blumen lächeln mir zu.
Ein Rabe fliegt über meinen Kopf… und heisst mich willkommen.
- Text von: arsproanima
- Artwork: arsproanima
- Artwork: arsproanima
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen